Der Besitz eines Schlüssels, ob physisch oder geistig (z. B. in Form vom erworbenen Wissen), ermöglicht es dem Menschen, die richtige Tür aufzuschließen. Der Held oder in den Märchen wird auf die Suche nach einem Schlüssel geschickt, mit dem er die entführte Prinzessin befreien oder die Tür zum Märchenschloss öffnen kann usw. Die Suche nach dem Schlüssel hilft dem Helden, Wissen zu gewinnen und Erfahrungen zu sammeln. In Samuel Baks Werken sind der Abdruck eines vermuteten Schlüssels oder der tatsächliche Schlüssel ein Zaubermittel, das uns in die heitere Welt der Kindheit zurückversetzt und schmerzhafte Erfahrungen ausgleicht, wobei wir in geistiges Gleichgewicht gebracht werden.

Samuel Baks Engel reflektieren auch über die Tragödie des jüdischen Volkes während des Zweiten Weltkriegs. Sie ähneln den Figuren des Christus in der Rast, die in Litauen verbreitet sind. Auf Baks Gemälden sind auch Engel mit gestutzten Flügeln oder verbundenen Augen zu sehen. Einen seiner Gemäldezyklen hat der Maler „Gefallene Engel“ („Fallen Angels“) genannt. Das sind Menschen, die versagt haben, die Fehler gemacht haben, die gestorben sind, die versucht haben, eine gute Tat zu vollbringen, die aber am Ende ihr Leben im Holocaust verloren haben. Das Nachdenken über das Geschehene und die Versöhnung mit der Situation sind der erste Schritt zur Heilung und zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts.

Laut dem jüdischen Begriff Bal Taschchit sollten wir uns um die Bäume genauso kümmern wie um die Menschen. In Israel wird der Frühlingsanfang mit einem Baumpflanzfest gefeiert, um den im Laufe des Jahres zurückgegangenen Pflanzenbestand wiederherzustellen. Gäbe es keine Bäume und keinen Wald, könnten sich die Kriegsflüchtlinge in Samuel Baks Werken nirgendwo verstecken, wie auch der Mensch, der den Holocaust überlebt hat und in den Wald von Ponary kam, um die Seelen der Verstorbenen zu betrauern.

Das rationale Schachspiel bringt für eine Weile Ordnung in unser Leben: Es folgt strengen Regeln, fördert aber auch Einfallsreichtum, Scharfsinn und Weisheit. Das Spiel hilft uns auch, uns selbst vorübergehend zu vergessen, es fördert die Experimentierlust und verlockt uns mit der Möglichkeit, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Unabhängig von den Umständen, in denen wir uns befinden, kann das Eintauchen in das Spiel uns eine kurze Auszeit vom Alltag verschaffen.

Im Englischen wird ein Würfel die oder dice genannt. Das Wort leitet sich aus dem altfranzösischen dé und dem lateinischen datum ab und bedeutet „das, was gegeben ist“. In seinem Zyklus von Gemälden mit Spielwürfeln reflektiert Samuel Bak über das, was der Menschheit gegeben und anvertraut wurde. In den Bildern sind nur verlassene Städte zu sehen, der Spielwürfel kann hier aber zu einem wichtigen Teil des Ruinenpuzzles werden. In den Ruinen huscht die Lady Fortuna vorbei: eine einsame Gestalt, die eine temporäre Zuflucht in den Trümmern gefunden hat. Der Würfel ist eine Andeutung auf Chancen und eine Vorwegnahme dessen, was uns noch „gegeben“ wird.

Auf die Frage nach der Metapher der zerbrochenen Gefäße antwortete Samuel Bak mit einer alten Erzählung: Jeden Morgen holte eine alte Frau mit zwei Krügen Wasser aus einem Bach. Ein Krug hatte einen Riss. Einmal fragte sie ein Vorübergehender, warum sie das Wasser in einem gerissenen Krug trägt – so bringe sie doch viel weniger Wasser nach Hause, als sie könnte. Die Frau antwortete: „Haben Sie bemerkt, wie viele Blumen entlang des Weges blühen, auf dem ich Wasser trage? Wenn der Krug nicht gerissen wäre, würden die Blumen nicht so blühen.“

Viele von uns tragen in ihrem Herzen das Bild der Stadt unserer Kindheit. Die Stadt der Kindheit selbst existiert in der Regel noch, aber ihr Wesen hat sich verändert: Sie besteht immer noch, ist aber anders, als wir sie in Erinnerung haben und empfinden. Es ist dieser wahrgenommene Unterschied, der zum kreativen Ausgangspunkt werden kann: In der Kunst vermitteln wir einen geistigen Zustand – unser eigenes Gefühl der Verbundenheit mit der Stadt. Das jüdische Vilnius aus Samuel Baks Kindheit gibt es nicht mehr, aber es bleibt einer der wichtigsten Ausgangspunkte für sein Werk.

Das Konzept Tikun Olam steht auch für die Wiederherstellung der Harmonie in der Welt. Kriege, Katastrophen und persönliche Verluste können unser aller Leben berühren. Wenn wir überleben, müssen wir uns erheben, vorwärts schreiten, uns nicht der Verzweiflung hingeben und unsere verlorene Welt wiederaufbauen. Eine neue Realität auf den Trümmern der verlorenen schaffen, das geistige Gleichgewicht wiederfinden. Kunst kann ein wichtiges therapeutisches Mittel sein, indem man das Erlebte auf ein Blatt Papier bringt und dadurch Erleichterung findet. So ruft man letztendlich das ins Leben, was andere inspiriert.