Der Schlüssel symbolisiert Wissen und Erfolg, aber auch Schutz vor Einbrechern. Die Tür kann nur von der Person aufgeschlossen werden, die den Schlüssel besitzt. Genauso müssen wir in Samuel Baks Gemälden den Schlüssel finden – den imaginären Schlüssel, der uns einlädt, das Geheimnis aufzuschließen: Der Künstler deutet an, dass dies für uns alle eine Gelegenheit ist, unsere eigene Glücksquelle (schöne Erinnerungen oder andere Dinge, die nur für uns wichtig sind) zu erschließen.

Auch wir können Engel sein – in den großen und kleinen Dingen des Lebens, durch unsere Entscheidungen und unser Zusammenhalten. Samuel Bak erinnert uns daran, dass wir uns unter kritischen Umständen zuerst von der Menschlichkeit leiten lassen müssen. Er lädt dazu ein, den Mut zu haben, zu sehen und zu erkennen, wo die Welt versagt hat.

Jeder lebende Baum ist eine eigene Welt, die wertgeschätzt werden sollte. In den unbewohnten Landschaften von Samuel Bak schweben steinerne Inseln mit verstreuten Baumgruppen. Sie sind immer in der Nähe und bieten Schutz – oder stellen eine Bedrohung dar, wenn sie vernachlässigt und gefällt werden oder an abfallenden Klippen wachsen.

Das in Samuel Baks Werken dargestellte Schachbrett ist zerbrochen, rissig oder zerbröckelt wie nach einem Erdbeben. Es ist eine Metapher für den unberechenbaren Lebensverlauf: Der Mensch bewegt sich ständig auf unsicherem Boden und muss sein ganzes Urteilsvermögen einsetzen und Risiken eingehen, als wäre er eine Läufer- oder Springerfigur auf einem Schachbrett. Man muss spüren, wann und auf welche Felder man springen muss und wann man an Ort und Stelle bleiben oder sich zurückziehen sollte. Der Mensch muss stets bereit sein.

Auch wenn wir unser Leben noch so gut planen, dürfen wir nicht vergessen, dass es immer einen Überraschungsfaktor geben kann. Wir sollten Raum für ein Wunder lassen. Das Universum dreht sich wie ein Dreidel. Es ist nicht abzusehen, wo er stehen bleibt.

Im Ghetto Vilnius vertrauten zwei bekannte jiddische Schriftsteller, Abraham Sutzkever und Shmerke Kaczerginski, Samuel Bak das Protokollbuch der jüdischen Gemeinde aus dem 19. Jahrhundert – das Pinkas – an, damit er auf den leeren Seiten des alten Folianten (Papier hatte man nicht) zeichnen lernte. In den Pinkassim wurden auch die guten Taten der Gemeindemitglieder:innen festgehalten: wie viel die Wohlhabenden einer Witwe gespendet haben, wie viel man für das Mitgift einer Waise gegeben hat usw. Durch unsere gemeinschaftlichen Anstrengungen bringen wir die Welt wieder in Ordnung, als ob wir ein zerbrochenes Gefäß reparieren würden.

Werfen wir einen Blick auf die Landschaft der verlassenen Stadt: In der Ferne steigt Rauch aus den Schornsteinen des Krematoriums auf, und die Ruinen der Altstadtmauern sind bereits von Pflanzen überwuchert. Dies ist die Stadt nach der Katastrophe. Ein von der Geschichte vergessenes Grab. So etwas könnte aber wieder passieren – auch jetzt, und zwar wenn wir Menschen hassen, die anders sind, und unsere Menschlichkeit aufgeben.

Adam und Eva kosteten von der Birne der Erkenntnis und wurden aus dem Paradies vertrieben. Sie verloren ihr Paradies, aber sie überlebten – und sammelten Erfahrungen, erlangten Wissen und begannen so die menschliche Reise. Wenn wir überleben, bedeutet das, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Geschichte neu zu schreiben. Sie wird immer von denen geschrieben, die gewinnen – es ist eben das Privileg der Gewinner:innen.